Sonntag, 11. Juli 2010

2. Hitzewelle und Zahnweh

Die zweite große Hitzewelle des Jahres habe ich dazu genutzt, mir am 7.7. zwei Backenzähne (unten links) ziehen zu lassen. Die mussten raus, da sich darunter Entzündungen gebildet hatten und beide Zähne schon mit Wurzelbehandlungen und zwei Wurzelspitzenresektionen "austherapiert" waren. Das Ganze sollte eigentlich kein großer Akt werden - aber dank zweier Komplikationen war ich für den Rest der Woche Schachmatt gesetzt.

Zuerst hat mein Zahnarzt die große Spritze gezückt und mir hinten im "Scharnier" des Kiefers eine Ladung Betäubungsmittel in den Hauptnerv verpasst. Das hatte den Vorteil, dass ich die Einstiche in das Zahnfleisch unterhalb der Todeskandidaten kaum noch spürte. Danach hatte ich erst einmal 15 Minuten Pause. Der Versuch, noch einmal Wasser zu lassen scheiterte kläglich.
Dann kam der Arzt umgezogen in voller OP-Kluft mit Haube, Mundschutz und dunklem Kittel. Was sich danach abspielte, war die Hölle: Zunächst wollte er den Zahn mit der langen Wurzel "rausnehmen" - wie er sagte. Eine Viertelstunde hat er ihn mit der Zange (ich hatte die Augen geschlossen, da ich mich nicht so für Zangen interessiere) vorsichtig hin- und hergestemmt, um zu verhindern, dass der Zahn durch zu heftiges Ruckeln durchbricht. Am schlimmsten war das Knarren des Kieferknochens durch die rhythmischen Stemmbewegungen.
Als erstes brach dann aber doch die Krone, wenig später dann auch noch der Kopf des Zahnes ab. Nun wollte er den im Kiefer verbliebenen Zahnhals zunächst mit einem Handbohrer (Größe 25), den er in den Wurzelkanal gedreht hat herausziehen. Nachdem auch das scheiterte, schabte er den Zahnhals soweit er konnte vom Zahnfleisch frei, zertrümmerte ihn mit einer Art Frähse und holte dann die Bruchstücke mit dem Handbohrer raus. Das hat ziemlich lange gedauert - aber die Alternative wäre ein Heraussägen der Kieferwand und ein seitliches Herausschneiden des Wurzelkanals gewesen, was allerdings einem späteren Implantat die Stabilität genommen hätte. Keine gute Idee! Das leuchtet ein!
Als er das letzte Stück der Wurzel schließlich herausgeprockelt hatte, war auch der Grund für das schwierige "Herausnehmen" gefunden - die Wurzel hatte am untersten Ende einen Widerhaken, der frontal zur Röntgenaufnahme lief und daher auch nicht vorher erkannt werden konnte.
Nun denn... Nachdem der erste Zahn raus war, hat der Arzt mit einem "Löffel" - wie er sagte - das entzündete Gewebe unter dem jetzt nicht mehr vorhandenen Zahn herausgeschabt. Da die Entzündung bis fast zum Hauptnerv reichte, musste zwischenzeitlich nachbetäubt werden.
Der zweite Zahn, der aufgrund der zahlreichen Vorbehandlungen keine große Wurzel mehr hatte, ging ganz leicht raus. Nach 4-5 Stemmbewegungen mit der Zange (ich hatte wieder die Augen zu) kam dieses schnalzige Geräusch, wenn der Zahn vom Zahnfleisch getrennt und aus dem Kiefer herausgelöst wird ... wie bei einem Gummistifel, den man aus dem Matsch zieht. Beim Auslöffeln hat er dann festgestellt, dass sich unter dem Zahn bereits Eiterblasen gebildet hatten, die ebenfalls auf dem Röntgenbild nicht zu sehen waren. Also: Weiterlöffeln, bis die Grube leer ist!
Da die Kieferwände durch die Stemmbewegungen mit der Zange am oberen Rand mittlerweile stark ausgefranzt waren, hat er die Kanten der nun leer gelöffelten Zahnvertiefungen des Kiefers mit dieser Frähse wieder kreisrund geformt.
Schließlich wurde mir dann noch Kieferersatzmaterial von 100% BSE-freien Rindern in die Kieferhöhlen gestopft, manuell modelliert, mit einer Membran abgedeckt und mit den Zahnfleischfetzen, die noch übrig waren sowie gefühlten 300 Stichen vernäht (474,60 € für den Kieferknochenaufbau - Keine Kassenleistung versteht sich!).
Abschließend wurden mir noch die Blutflecken aus dem Gesicht gewischt, eine drei Tage geltende AU ausgehändigt und ich war entlassen. Joe, der schon nervös im Wartezimmer umherlief, da statt der geplanten höchstens einen Stunde bereits 90 Minuten verstrichen waren, hat mich dann zum Auto gebracht und nach Hause gefahren.

Nachdem die Betäubung raus war, hatte ich zunächst nur einen leichten Druckschmerz, den ich mit Ibuprofen schnell in den Griff bekam. Allerdings fühlte ich mich an diesem und dem Folgetag wie unter einer Käseglocke, konnte mich nicht einmal auf das RTL-Nachmittagsprogramm konzentrieren und schon gar nicht reden, lachen oder essen - ich wollte einfach nur sterben!

Am Freitag war der größte Fortschritt zu verzeichnen und ich konnte im Tagesverlauf schon wieder fiese Bemerkungen von mir nuscheln. Dank der extremen Temperaturen ist die Schwellung aber dennoch ziemlich groß geworden und mittlerweile nach außen hin sichtbar. Kühlen bringt nur etwas, wenn man die Wange dauerhaft auf 15° herunterkühlt, was bei über 30° Außentemperatur ein hoffnungsloses Unterfangen darstellt. Außerdem stören die Fäden ungemein und ich fühle mich irgendwie dauergenervt.
Am kommenden Freitag werden jetzt noch die Fäden gezogen und mir der Kostenvoranschlag für die Zahnimplantate ausgehändigt.

Hier ein Vorher-Nachher-Vergleich:


Wenn ihr mich fragt: Ja, ich werde zukünftig derartige Behandlungen unter Vollnarkose durchführen lassen! Und: Ja, ich habe mich entschieden, die Lücke schnell durch Titan-Implantate schließen zu lassen. Man will ja nicht aussehen wie ein ... was auch immer!

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